Taverner & Tudor, vol II


Michael Wersin,
Tirsdag, 18. maj Rondomagazin.de

John Taverner im Kreise seiner Vorgänger und Nachfolger, umkleidet mit Gregorianik – ein Aufnahmeprojekt, das den Kenner zu elektrisieren vermag und dem Neuling in dieser Nische als Einstiegsdroge dienen könnte. Die Komponistenliste liest sich wie ein Who's who der englischen Renaissancemusik: John Taverner, Robert Fayrfax, Robert White, William Byrd, Thomas Tallis. Taverners opulent-ornamentaler Stil, der in der Messe "Gloria tibi Trinitas" einen Höhepunkt erreicht, ist eine bemerkenswerte Spezialität der "Inselmusik" des 16. Jahrhunderts – er hat auf dem Festland kein Pendant: Weite Spreizung der Stimmen im sechsstimmigen Satz (wie glänzen die ungewohnt hohen Sopranstimmen!) führt zu grandioser Klangpracht, rhythmisch raffinierte geringstimmige Passagen in kleinen Notenwerten lockern gelegentlich die blockhafte Wucht auf; immer jedoch bestimmt ein dezidiert polyfones Denken die Satzstruktur.

Paul Hillier, ein profunder Kenner dieser Musik, hat mit dem knapp 20-köpfigen Ensemble Ars Nova Copenhagen ein ideales Medium zur Umsetzung seiner Vision gefunden: Die nötige Klangpracht bietet das Ensemble ebenso wie die unabdingbare filigrane Leichtigkeit; schlicht und ebenmäßig genug für die Gregorianik vermögen die Männer wie die Frauen allemal zu singen. Eine wahre Freude, ohne Abstriche!